Otello (1986)
Zugegeben, die folgende Filmbesprechung trifft vermutlich nur ein Nischenpublikum. Wenn Shakespeare Verfilmungen schon nicht unbedingt das breite Publikum ansprechen (was völlig zu Unrecht so ist), wie soll es dann eine Opernverfilmung können?
1986 verfilmte der Regisseur Franco Zeffirelli, der schon mit "Romeo und Julia" 1968 die wohl schönste Verfilmung des Shakespeare Klassikers erschaffen hat, die Verdi Oper "Otello". Erfahrung hatte Zeffirelli in diesem Metier allemal, hatte er doch zuvor bereits Opern, wie La Traviata, Tosca und La Boheme auf die Leinwand gebracht (auch alle sehr zu empfehlen). Begnügen sich die meisten Opernverfilmungen damit, einfach eine Aufführung von der Bühne abzufilmen, geschieht dies hier im echten Spielfilmformat. Gedreht wurde überwiegend in Heraklion, Kreta. Außenaufnahmen, wundervolle Kulissen und Settings und ein Heer von Statisten und Komparsen liefern ein spannendes Drama - nur wird eben alles gesungen (und das auch noch in Italienisch, deutsche Untertitel sind jedoch verfügbar).
Die Titelrolle singt und spielt der großartige Tenor Placido Domingo, an seiner Seite die bezaubernde Katia Ricciarelli als Desdemona und der auch schauspielerisch sehr überzeugende Justino Diaz als Jago, der mir persönlich noch besser in dieser Rolle gefiel, als Kenneth Branagh in der Oliver Parker Verfilmung von Shakespeares Othello von 1995.
Vielleicht noch etwas, was den Film besonders macht: Der braungeschminkte Placido Domingo spielt den "Mohr von Venedig" (Darf man das Wort noch verwenden oder ist das jetzt schon das "M-Wort"?). Vermutlich wird jeder Woke-Fanatiker jetzt schon nahe am Schlaganfall sein und Blackfacing und Mordio rufen. Es geht hier aber um die Kunst und natürlich in erster Linie um den Gesang. Und da gab es in den 80ern kaum einen Tenor, der es mit Domingo hätte aufnehmen können (Carreras und Pavarotti mal ausgenommen, aber die sind nun mal auch weiß). Bevor also die Zensur zuschlägt, sollte man sich noch ein Exemplar auf DVD oder BD besorgen...
Für Opernfreunde ist diese Verfilmung ein ungewöhnlicher Genuss, eine Oper im Stile eines Hollywood Blockbusters zu sehen; für diejenigen, die sich noch so recht nicht an eine Oper herangetraut haben, ist es ein guter Einstieg.
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